Warum es nicht reicht, alles zu messen
Moderne Analysetools ermöglichen die Erfassung enormer Datenmengen. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle diese Daten relevant sind. Falsch gewählte Kennzahlen können zu falschen Schlussfolgerungen führen, etwa zur Optimierung von Funktionen, die zwar beliebt wirken, aber keinen echten geschäftlichen Mehrwert liefern.
Der Zweck von Kennzahlen ist nicht Reporting, sondern Entscheidungsfindung. Jede Kennzahl sollte eine konkrete Frage beantworten: Hilft uns diese Zahl zu verstehen, ob sich das Produkt in die richtige Richtung entwickelt?
Die Antwort auf diese Frage ist bei B2B- und B2C-Produkten sehr unterschiedlich.
B2B-Anwendungen: Wenn Wert wichtiger ist als Volumen
Im B2B-Umfeld hat eine Anwendung oft weniger Nutzer, doch jeder einzelne Nutzer stellt einen hohen Wert dar. Das Ziel ist nicht schnelles Wachstum der Nutzerzahlen, sondern langfristige Nutzung, Stabilität und ein nachweisbarer Mehrwert für das Geschäft des Kunden.
Bei der Entwicklung von B2B-Anwendungen ist es daher entscheidend, Kennzahlen zu verfolgen, die die tatsächliche Nutzung des Produkts im Alltag widerspiegeln.
Eine der wichtigsten Kennzahlen ist die Aktivierungsrate. Dabei geht es nicht darum, ob sich ein Nutzer registriert hat, sondern ob er eine erste wertvolle Aktion durchgeführt hat, etwa einen Prozess eingerichtet, einen Report erstellt oder das System mit einem anderen Tool verbunden hat. Bleibt die Aktivierung aus, deutet das darauf hin, dass Onboarding oder der Produktwert nicht klar genug sind.
Ebenso wichtig ist die Nutzungshäufigkeit. Eine B2B-Anwendung, die einmal im Monat genutzt wird, hat eine ganz andere Dynamik als ein Tool, das täglich im Einsatz ist. Eine zu niedrige Nutzungshäufigkeit signalisiert oft, dass das Produkt nicht ausreichend in die Arbeitsprozesse des Kunden integriert ist.
Auch die Adoption zentraler Funktionen spielt eine große Rolle. Wenn ein Unternehmen für eine umfassende Lösung bezahlt, aber nur einen kleinen Teil der Funktionalität nutzt, stellt das ein Risiko für die langfristige Kundenbindung dar. Deshalb ist es wichtig zu beobachten, welche Teile des Produkts tatsächlich genutzt werden und welche ungenutzt bleiben.
Im B2B-Bereich sollte auch das Nutzerfeedback nicht unterschätzt werden. Qualitative Daten aus Interviews, Support-Tickets oder dem Account Management haben oft einen höheren Wert als tausende anonyme Events in der Analytics-Plattform.

B2C-Anwendungen: Geschwindigkeit, Emotionen und Datenvolumen
B2C-Produkte funktionieren in einem völlig anderen Tempo. Nutzer treffen Entscheidungen schnell, die Konkurrenz ist nur einen Klick entfernt und die Geduld ist gering. Der Erfolg einer B2C-App hängt davon ab, wie schnell sie Aufmerksamkeit gewinnt, Nutzer aktiviert und eine große Anzahl von Nutzern bindet.
Eine der wichtigsten Kennzahlen während der Entwicklung von B2C-Anwendungen ist die Retentionsrate. Kehren Nutzer nach der ersten oder zweiten Nutzung nicht zurück, hat das Produkt ein Problem – unabhängig davon, wie viele Downloads es gab. Retentionskurven decken Probleme in UX, Performance oder Funktionswert oft früher auf als jede andere Kennzahl.
Auch Engagement spielt eine zentrale Rolle. Dabei wird nicht nur gemessen, ob Nutzer zurückkehren, sondern auch, was sie in der App tun, wie lange sie bleiben und welche Funktionen sie am meisten interessieren. Diese Daten helfen dabei, Prioritäten für die Weiterentwicklung zu setzen.
Im B2C-Umfeld ist es außerdem wichtig, Conversion-Raten zu verfolgen – sei es der Übergang von Installation zu Registrierung, von Registrierung zur ersten Aktion oder von der kostenlosen Nutzung zu einem bezahlten Modell. Kleine Änderungen in diesen Schritten können enorme Auswirkungen auf das Gesamtwachstum haben.
Im Gegensatz zu B2B ist im B2C-Bereich die Arbeit mit großen Datenmengen entscheidend. Trends, Kohorten und Experimente wie A/B-Tests liefern Signale, die bei einer kleinen Nutzerbasis nicht sichtbar wären.
Gleiche Tools, unterschiedliche Sicht auf Daten
Interessanterweise verwenden sowohl B2B- als auch B2C-Anwendungen häufig dieselben Analysetools, etwa GA4, Mixpanel oder Amplitude. Der Unterschied liegt nicht in der Technologie, sondern in der Interpretation der Daten.
Während im B2C-Bereich auf Geschwindigkeit und Volumen optimiert wird, stehen im B2B-Kontext Stabilität, Vorhersehbarkeit und langfristiger Kundenwert im Vordergrund. Dieselbe Kennzahl kann in einem Kontext Erfolg bedeuten und im anderen ein Warnsignal sein.
Wie man Kennzahlen bereits während der Entwicklung richtig definiert
Der größte Fehler besteht darin, sich erst nach dem Launch des Produkts mit Kennzahlen zu beschäftigen. Analytics sollte von Anfang an Teil der Architektur der Anwendung sein. Das bedeutet, klar zu definieren, welches Verhalten als Erfolg gilt, und die Datenerfassung entsprechend auszurichten.
Für Unternehmen hat es sich bewährt, Kennzahlen nach Entwicklungsphasen zu gliedern. In der MVP-Phase geht es vor allem um die Validierung des Mehrwerts und die grundlegende Aktivierung. In der Wachstumsphase verlagert sich der Fokus auf Retention, Feature-Adoption und Skalierung. In einem reifen Produkt stehen Kennzahlen zur Effizienz, Stabilität und zum langfristigen geschäftlichen Nutzen im Vordergrund.
Fazit: Die richtigen Kennzahlen sparen Zeit und Geld
Der Unterschied zwischen einer erfolgreichen und einer erfolglosen Anwendung liegt oft nicht in der Technologie, sondern in den Entscheidungen, die während der Entwicklung getroffen werden. Und diese Entscheidungen sind nur so gut wie die Daten, auf denen sie basieren.
B2B- und B2C-Produkte erfordern unterschiedliche Perspektiven auf Erfolg. Wenn Unternehmen die richtigen Kennzahlen im richtigen Kontext verfolgen, können sie unnötige Entwicklung vermeiden, schneller auf Probleme reagieren und Produkte entwickeln, die echten Mehrwert für Nutzer und Unternehmen schaffen.
